Durch Istanbul futtern


Schon jahrelang habe ich davon geträumt, nach Istanbul zu reisen. Im Herbst war es soweit. Mit meiner besten Freundin Selda und ihrer Mutter bin ich zum Bosporus geflogen. Auf Familienbesuch. Eine Woche lang habe ich mich von Seldas Tanten verwöhnen lassen, die es sich anscheinend zur Aufgabe gemacht hatten, mir jeden Tag türkische Leckereien zu kochen und mir zu zeigen, wie man sie zubereitet. Ich habe praktisch nichts anderes gemacht, als den ganzen Tag zu essen. Mein persönliches Paradies.

Die Istanbuler essen nach Balik Ekmek (Fisch und Brot) traditionell Tursu am Hafen.
Die Istanbuler essen nach Balik Ekmek (Fisch und Brot) traditionell Tursu am Hafen.

Wir kamen nach Sonnenuntergang an, wurden vom Onkel abgeholt und rauschten in dem großräumigen Transporter durch das Verkehrschaos in den eher ärmeren Stadtteil Bayrampasa. Zuhause erwarteten uns dann Seldas Tanten, Cousinen und Cousins. Es gab Küsschen und Umarmungen, heißen Tee und einen schwer beladenen Küchentisch mit Köstlichkeiten.

Schon an dem Abend habe ich meine Liebe zu Tursu entdeckt, was nichts anderes heißt als sauer eingelegtes Gemüse. Die Tanten haben mir erzählt, dass Tursu praktisch in jeder türkischen Familie eingemacht wird und zu fast allem dazugereicht wird. Das Gemüse wird gesalzen und mit dem ausgetretenen Wasser in Behälter mit Essig, Zucker und Gewürzen gefüllt. Das Gemüse zieht dann mindestens drei Wochen durch.

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Wie das Gemüse aus der Flasche wieder rauskommen soll, hatte sich vorher allerdings niemand überlegt

Als wir den Hafen am Bosporus entlangspaziert sind, haben wir Balik Ekmek gegessen, weil man das so macht, wie ich erfuhr. Auf einem bunt dekorierten Boot brieten zahlreiche Männer unermüdlich Makrelen. In einem Baguette werden die fettigen Fische dann mit Zwiebeln, Salat und Salz serviert. Wir saßen auf klapprigen Plastikstühlen, haben gefroren, der Wind fegte uns die Haare ins Gesicht und es roch nach Fisch. Man kann nicht einmal ruhig von seinem Fischbrötchen abbeißen, weil ständig Verkäufer zu den winzigen Tischchen kommen und Feuchtetücher oder Taschentücher oder Limonade lauthals verkaufen wollen. „Yok Sağol“ zu sagen, habe ich am Hafen sehr schnell gelernt – nein danke heißt es. Balik Ekmek schmeckt, mit dem ganzen drum und dran, himmlisch.

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Unsere Truppe von Kälte und Wind zerzauselt. Bis auf meine Größe und meine Haarfarbe bin ich nicht weiter aufgefallen.

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Das schönste an der türkischen Kultur ist für mich die Gastfreundschaft. Davon kann sich hierzulande so mancher eine Scheibe abschneiden. Egal, wer zu Besuch kommt, egal, wie spät es ist: Sofort wird ein Tablett mit Tee und Gebäck auf den Tisch gestellt, dankende Ablehnung wird nicht akzeptiert. Und obwohl ich Seldas Tanten, die übrigens in Deutschland aufgewachsen sind und deutsch sprechen, nicht kannte, wurde ich wie ein Familienmitglied aufgenommen und habe mich genau wie alle anderen in Jogginghose abends auf dem Sofa rumgelümmelt, die Katzen gekrault und bei Wer wird Millionär mitgeraten. Dass ich nichts von dem, was in Fernsehen oder Radio lief, verstanden habe, ist mir irgendwann gar nicht mehr aufgefallen.

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Wenn man das Glück hat und den Alltag wie ich hautnah miterleben kann, dann zeigt sich die Megastadt von einer wunderschönen, unaufgeregten Seite. Als wir über den Bazar schlenderten, wurde ich nicht einmal von der Seite angequatscht. Niemand hat versucht, mir etwas anzudrehen, niemand hat mir hinterhergepfiffen (wobei, ist das jetzt ein gutes oder schlechtes Zeichen?). Ein Bazar findet sich in jedem Stadtteil und ist nichts anderes als ein großer, großer Wochenmarkt. Wir besuchten den Bazar in Bayrampasa gleich die Straße runter und ich war überwältigt von dem Angebot an Gemüse und Obst. Anders als auf vielen Wochenmärkten in Deutschland wird dort das Gemüse geputzt, gestutzt und fein säuberlich auf die ewiglangen Verkaufstische aufgetürmt. Die Kohlköpfe sind riesig, die Äpfel glänzen und die Kräuter duften verführerisch. Am liebsten hätte ich jeden Stand fotografiert und abends die größte Gemüsepfanne aller Zeiten zusammengekocht (aber natürlich habe ich mich lieber bekochen lassen, wenn ich schon mal da bin).

Ein paar Worte zum Frühstück in der Türkei: Am ersten Morgen konnte ich meinen Augen nicht trauen. Jeder Zentimeter des kleinen Glastisches in der Küche war vollgestellt mit kleinen Schälchen verschiedenster türkischer Käse- und Wurstsorten, selbstgemachter Marmeladen, Gemüse, Dips….
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In der Türkei gibt es keine klassischen Brötchen wie in Deutschland – wer hätte es gedacht. Zum Frühstück wird Simit gegessen. In Deutschland auch bekannt als Sesamring. Das leicht süßliche Gebäck wird in Stücke gerissen und in die Marmeladen oder den Sirup getunkt. Wurst- und Käsestückchen nimmt man mit dem Brot als Gabelersatz auf und schiebt es sich gleich in den Mund. Nicht fehlen dürfen: Schafskäse und Oliven – und Pekmez Tahin, ein furchtbar süßer Mix aus Sesammus und Weintraubensirup, „sehr gesund“, wie mir versichert wurde. Überhaupt ist alles, was ich probieren sollte, „sehr gesund“ gewesen oder „gut gegen oder für“ irgendwas. Fürs Glücklichsein kann ich das auf jeden Fall bestätigen. Eine Woche hat gereicht, um mich von dieser wunderbaren Stadt faszinieren zu lassen. Ich muss bald wieder hin, schließlich habe ich noch nicht viel gesehen und noch nicht alles probiert…  Wenn ihr also könnt, fahrt hin. Seid offen für das, was ihr vorfindet und lasst euch von der tollen türkischen Kultur verzaubern.


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